"Abstract", 1985

 

von John Takawira

Bildhauer aus Simbabwe

Black Serpentine, 25,5 x 14 x 21 cm, 4 kg
Provenienz: Gallery Watatu, Nairobi, Kenia 1988

Als ich 1986 die Gallery Watatu in Nairobi besuchte, sprang mir augenblicklich eine Steinskulptur ins Auge. Sie hob sich von allen Skulpturen ab, die ich bisher in Ostafrika gesehen hatte. Sie war nicht aus hellem, weichen Speckstein gehauen, sondern glänzte tiefschwarz im Scheinwerferlicht der Galerie. Ich betrachtete sie von allen Seiten und staunte über ihre vollkommene Form. Ich frug Ruth Schaffner, die Galerie-Besitzerin, nach dem Schöpfer dieses kleinen Werks. Sie antwortete mir: „John Takawira. Er ist einer der besten Bildhauer in Zimbabwe.“ Schon bei dieser ersten Begegnung wollte ich dieses Kunststück erwerben, doch als die Galeristin den Preis nannte, gab ich mein Ansinnen auf und verabschiedete mich.

Zwei Jahre später schaute ich wie immer, wenn Kenia mein Reiseziel war, als erstes in die damals renommierteste Galerie Nairobis. Und was sah ich? In einer dunklen Ecke lag der Stein. Verstaubt und völlig unbeachtet fristete er ein kunstloses Dasein. Ich war vor dem Kopf gestoßen und bat darum, diese vernachlässigte Skulptur zu entstauben und auf einen Sockel stellen. Nun gab es für mich kein Zögern mehr. Am 3. März 1988 wurde „Abstract“ von John Takawira mein Eigentum.

Warum aber fasziniert mich dieses unscheinbare Gebilde bis heute? Es ist doch nur ein schwarzer Stein. Er besitzt kein Gesicht und stellt nichts dar. Vom Künstler ist er nur wenig bearbeitet worden. Dennoch: Diese wenigen Eingriffe, die Zuspitzungen der verschiedenen Seiten, die Spuren der Hammerschläge und die Herausarbeitung der Standfläche machen den schwarzen Serpentin zu einem Beispiel für menschliches Schöpfertum. Ein ausgewaschener Kiesel kann ebenso Bewunderung hervorrufen, doch hier ist es das Zutun des Bildhauers, der dem gefundenen Ding sein Leben einhaucht. Allein durch dieses Zutun wurde aus dem unscheinbaren Findling das Kunststück, das es heute ist.

 

"Abstract", 1985