von Luis Meque
Mischtechnik/Papier, 110 x 86 cm
Holzrahmen/Glas, 115 x 90 cm
Provenienz: National Gallery of Zimbabwe, Harare, Simbabwe 1994
Ausstellung: "Luis Meque", National Gallery of Zimbabwe, Harare, 1994
Preis: auf Anfrage
Nur wenige Pinselstriche formen den blauen Mann im Profil. Meque positioniert ihn leicht von der Mitte nach rechts versetzt über alle drei Bildebenen. Die als Kniestück angelegte Figur bestimmt den Vordergrund vollständig, breiter Strich und Schwung der Farbe akzentuieren Körperhaltung und Volumen. Der gerade gerichtete Kopf ist in die Ferne gerichtet, das kantige, schwarz umrissene Gesicht wird durch ein dunkles Rot im Mund- und Wangenbereich betont. Eine Kappe beschattet die Augenpartie, drei weiße diagonale Striche lenken von Hinterkopf und Hut aus den Blick auf die verschränkte Armhaltung.
Den Bildraum definiert der Maler allein durch das Aneinanderstoßen von drei farbig bewegten Flächen. Die beiden horizontalen Farbzonen im unteren und mittleren Bereich bilden ein diffuses Gemisch aus Ocker, Weiß, Blau und Rot mit unterschiedlich intensiver Gewichtung und Schichtung. Für die obere, überwiegend vertikal ausgerichtete Ebene, benutzt er dieselbe Farbmelange und überführt sie in ein pastelliges Grau-Blau und Grau-Rosa. Auf dieser helleren Fläche heben sich einfache dunkelblaue Balken ab, die er partiell mit glühendem Rot konturiert. Mit der Reduktion auf wenige Rechtecke und ein rasch davor geworfenes mattes Grün deutet Luis Meque kulissenartig ein trostloses Stadtpanorama an. Sparsam setzt er über alle drei Flächen hinweg herunterfließende rote und blaue Farbe ein, um die Bildebenen miteinander zu verbinden.
Es gibt keinen Himmel, keine Gegenstände, keine Menschen - Spannung erzeugt allein der Fokus auf die Figur und die Streuung der Farbzonen in schnellen Pinselstrichen.
Wer ist der blaue Mann? Stellvertreter einer urbanen anonymen Gesellschaft, in der keine menschliche Nähe mehr existiert? In Verbindung mit der Titelgebung „On Duty“/Im Dienst trägt er offenbar Arbeitskleidung, steht aber - wie die angedeutete Stadt - außerhalb von spezifischem Ort, Zeit und Erzählung. Auch die emotionale Stimmung des Arbeiters hält Meque in einem ungelösten Schwebezustand. Während der ins Leere gleitende Blick eher auf einen isolierten, einsamen, verletzlichen Menschen schließen lässt, können die vor der Brust gekreuzten Arme durchaus als lässige, entspannte, selbstbewusste Verfassung und Haltung verstanden werden.
Dieses gleichzeitige Nebeneinander von sich widersprechenden Gefühlen, diese Ambivalenz bei dem Versuch, die menschliche Essenz auch in der Setzung von starken Farb- und Hell-Dunkelkontrasten zu ergründen, durchzieht die Bilder von Luis Meque wie ein roter Faden. Stets kommt er mit wenigen einfachen Linien, Formen und Gesten aus. Die detailgetreue Wiedergabe liegt ihm fern, das was er sieht und unmittelbar fühlt will er kompromisslos erfassen.
„On Duty“ steht beispielhaft für Meque’s expressive Malweise und die Themen, die ihm unter den Nägeln brennen. In den Straßen von Harare findet er die äußeren Impulse für seine lokalen und zugleich universellen Bildsujets, hier saugt er in sich auf, was er in der postkolonialen Ära Simbabwes täglich erlebt: das harte Leben der Armen, das der einfachen Arbeiter und Arbeitslosen, das der Bettler, Prostituierten und Straßenkinder. Während Luis Meque mit nur 32 Jahren früh verstarb, ist der blaue Mann noch immer im Dienst - weltweit.
Angelika Sommer